Rückblick auf die ersten Wochen Fernunterricht an der Stiftsschule Engelberg
Von Präsenz- auf Fernunterricht in 5 Tagen
Auch wenn die Schulschliessung dann doch etwas schnell kam, unvorbereitet traf sie die Stiftsschule Engelberg nicht. Im Rektorat wusste man, dass es dazu kommen würde, da kurz vor der Pressekonferenz des Bundesrats vom 13. März etwas durchgesickert war. Da sich die für Mittag angekündigte Pressekonferenz immer weiter verzögerte, entschied die Schulleitung spontan, diese live mit allen Schülerinnen und Schülern im Theatersaal mitzuverfolgen. So erfuhren alle "aus erster Hand", welche Massnahmen eingeführt werden, und konnten anschliessend über die nächsten Schritte informiert und aufgefordert werden, das für das Heimstudium benötigte Schulmaterial mit nach Hause zu nehmen.
Bei der weiteren Planung zeigten sich einmal mehr die Vorteile einer kleinen Schule. Über das Wochenende stellte das Schulleitungsteam zusammen mit dem ICT-Verantwortlichen, Markus L’Hoste, die Weichen für Fernunterricht und e-learning. Im Rahmen des Schulentwicklungsprojekts "Digitalisierung im Unterricht" des Schuljahres 2018/19 hatten alle Lehrpersonen und die Schülerschaft eine Lizenz für Office365 erhalten und sich mit digitalen Werkzeugen vertraut gemacht. Entsprechend nutzten bereits vor der Schulschliessung viele Lehrpersonen OneDrive als Dokumentenablage und organisierten den Unterricht über Klassennotizbücher auf OneNote. Es musste also einzig noch die Kommunikationsplattform Microsoft TEAMS aufgesetzt und alle damit vertraut gemacht werden. Nach Instruktion der Lehrpersonen konnten am 17. März per Videokonferenz gemeinsam die Details für den Fernunterricht besprochen werden.
Fernunterricht
Schon am Mittwoch, 18. März startete der Fernunterricht mit einem leicht angepassten Stundenplan. Der Sportunterricht konnte nun nicht mehr in der regulären Form durchgeführt werden. Die Schülerinnen und Schüler wurden aufgefordert, sich selbst fit zu halten und wöchentlich zwei Stunden Sport zu treiben. Als Anregung stellten die Sportlehrpersonen verschiedene Optionen für Sport zu Hause per Video bereit oder verwiesen auf Angebote anderer Organisationen. Um den Jugendlichen etwas Luft zu geben, wurde zudem auf die Weiterführung der Freifächer verzichtet. Die übrigen Lektionen liessen sich über sogenannte MeetUps auf TEAMS organisieren. Dort trifft sich die Klasse mit ihrer Lehrperson für ganze Lektionen, die interaktiv gehalten werden, oder für kurze Inputs in Form von Audio- oder Videozuschaltungen. Die Plattform bietet auch die Möglichkeit, den Bildschirm zu teilen, wodurch Unterrichtsinhalte immer noch gut präsentiert werden können. Rückfragen erfolgen dann entweder für alle offen im MeetUp oder individuell über die verschiedenen Chat-Möglichkeiten. Diese erlauben es auch, Partner- oder Gruppenarbeiten innerhalb der Klasse durchzuführen.
Natürlich verlangt der Fernunterricht ein hohes Mass an selbstständigem Arbeiten seitens der Schülerinnen und Schüler. Durch den Stundenplan und die regelmässigen MeetUps wird aber eine Struktur geschaffen, in der sie weiterhin am Ball bleiben müssen. Zudem haben sie die Möglichkeit, fast immer mit den Lehrpersonen Kontakt aufzunehmen und individuelle Unterstützung zu erhalten.
Yolanda Stocker, Fachlehrperson für Biologie, Mathe und Englisch und Klassenlehrerin des 1. UG hat klare Unterschiede in den Klassenstufen festgestellt. Während die unteren Klassen noch eine direktere Ansprache, mehr gemeinsame Unterrichtszeiten und auch Kontrolle der bearbeiteten Aufgaben benötigen, sind gerade die letzten beiden Gymnasialklassen froh um möglichst wenig Pflichtanwesenheit und bevorzugen eigenständiges Arbeiten mit eigenverantwortlicher Arbeitsplanung und Zeiteinteilung.
Aber auch der Unterricht selbst muss teilweise anders gestaltet werden. So meint Frau Stocker: "Ich hole zwischendurch Kleingruppen zu MeetUps zusammen, um mit ihnen im Englischunterricht Konversation zu machen. Allerdings stösst man da bei allen technischen Möglichkeiten schnell an Grenzen. Das Sprechen ist deutlich weniger intuitiv, es ist noch schwieriger die Lernenden dazu zu bewegen, ganze Sätze zu formulieren. Ausserdem ist es sehr unbefriedigend, keine Gesichter zu sehen."
Und die Schüler?
Da das Arbeiten mit den meisten digitalen Werkzeugen schon während des Präsenzunterrichts zur Routine geworden war, gab es wenig Schwierigkeiten bei der Umstellung auf Fernunterricht. Aber natürlich war es spannend, die technischen Möglichkeiten einer virtuellen Unterrichtsstunde auszuprobieren. Und seien wir ehrlich: Wer von uns hätte nicht gern die Möglichkeit gehabt, Personen im Unterricht einfach stumm zu schalten, wie es in TEAMS möglich ist?
Die Rückmeldungen aus der Schülerschaft fielen denn auch durchwegs positiv aus. Die meisten waren überrascht, dass alles so gut funktioniert hat. Als belastend empfunden wurde die lange Arbeitszeit am PC, das war dann doch viel anstrengender als gedacht. Auch die grosse Menge an Material, das selbstständig zu bearbeiten war, stellte für viele eine Herausforderung dar.
Ein Schüler des 3. OG fand aber auch eine besonders positive Seite: "Das Beste am Fernunterricht meinerseits ist, dass man sich viel besser konzentrieren kann. Ich kann selbständig und in meinem Tempo und Rhythmus arbeiten."
Einigen Schülerinnen und Schüler ist durch den Fernunterricht stärker bewusst geworden, dass sie die Verantwortung für ihr Lernen haben und diese auch eigenständig wahrnehmen müssen. Es wird aber auch als gute Vorbereitung für die Universität gesehen.
Die anfängliche Euphorie, nicht in der Schule sitzen zu müssen, wich dann mancherorts der Erkenntnis, dass Fernunterricht eine ziemlich einsame Sache ist. "Der Fernunterricht war etwas Neues und für eine gewisse Zeit auch lustig. Doch nach vier Wochen fehlen einem die Mitschüler, der Präsenzunterricht und ja sogar die Lehrer.", resümiert eine Schülerin.
"Eine Klasse hat kurz vor den Ferien eine Textanalyse zu einem Zeitungskommentar über die Vorteile der Digitalisierung geschrieben", berichtet Deutschlehrer Markus L’Hoste. "Als Vorteil wurde dort z. B. erwähnt, dass die Digitalisierung hilft, Distanzen zu überbrücken. Aus den Aufsätzen habe ich herauslesen können, dass dieser Vorteil erkannt und geschätzt wird. Aber aus vielen Aufsätzen sprach auch der Wunsch, sich bald wieder physisch treffen zu können."
Matura – Prüfung oder nicht?
Sich selbst immer wieder zu motivieren, ist besonders für die Maturanden schwierig. Eine Schülerin berichtet: "Der Fernunterricht hat sehr viel Zeit in Anspruch genommen. In den meisten Fächern war ich so beschäftigt, dass ich nur wenig Zeit hatte, um mich auf die Matura vorzubereiten. Zusätzlich hatten wir noch Prüfungen, für die wir auch lernen mussten. Die Ferien und die drei Wochen im Mai können aber noch gut genutzt werden. Leider wissen wir alle nicht, ob die Prüfungen überhaupt stattfinden oder in welchem Umfang. Ich versuche jeden Tag ein paar Stunden für die Vorbereitung auf die Matura zu investieren, aber alleine zu Hause und mit der Ungewissheit, ob bzw. wie die Prüfungen stattfinden, fällt mir das schwer. Es ist sehr schade, die sechs Jahre an der Stiftsschule nun so abschliessen zu müssen. Die letzten Monate zusammen mit den Mitschülern wären eine sehr schöne Zeit gewesen. Maturaparty und -reise werden aber sicher nachgeholt."
Was bleibt?
Voraussichtlich am 11. Mai werden die ersten drei Jahrgänge an die Schule zurückkehren können, für alle anderen geht es dann anfangs Juni wieder los. Auch hier ist noch unklar, unter welchen Bedingungen der Präsenzunterricht anlaufen kann. Trotzdem freuen sich alle, wieder den direkten Kontakt pflegen zu können – trotz Abstandsvorschriften. Und das zeigt wohl auch eine der wesentlichen Erkenntnisse aus der Corona-Krise: Schule ist viel mehr als Wissensvermittlung! Dass digitale Werkzeuge auch in "normalen" Zeiten einen Beitrag zur Qualität des Unterrichts leisten können, ist nun aber sicher auch klar geworden.