Pilgerreise zum Kloster Fischingen
Montag, 1. Oktober 2018
Die 25-köpfige Pilgerschar zog heute Montag unter der Führung von P. Andri Tuor, dem Religionslehrer der Klasse, bei widrigem Wetter zum Tor hinaus. Frau Alexandra Bissig, die Sekretärin der Stiftsschule, und Markus L’Hoste, der Klassenlehrer des 1. Obergymnasiums, begleiteten die Schülerinnen und Schüler.
Die Schneefallgrenze war in der Nacht bedenklich tief gesunken und ein kräftiger Ostwind wehte auf dem Weg zum Tal hinaus vom Grassengrat herab. Bei den Titlisbahnen konnten wir kurz unterstehen und die zerwehten Jacken und geknickten Schirme wieder in Ordnung bringen, so dass wir einigermassen trocken den abschüssigen Weg durch die Aa-Schlucht meistern konnten. Dabei forderte uns P. Andri auf, einen kleinen Stein mitzunehmen und ihn mit unseren Anliegen, Hoffnungen und Wünschen zu verbinden. Was es damit auf sich hat, werden wir am Ende der Reise erfahren. Bei Grafenort im Tal angekommen, gelangten wir schnell nach Dallenwil und von dort aus nach Buochs. Wir waren zu früh an der Schiffslände, doch bald schon sahen wir durch den Regen die „Aurora” durch den aufgewühlten Vierwaldstättersee ziehen. Mick, unser Kapitän, brachte uns sicher nach Brunnen, das sich ebenfalls von seiner regnerischen Seite zeigte.
Wie froh waren wir, als wir dann endlich bei unserer ersten Unterkunft angekommen waren. Familie Bucheli empfing uns sehr herzlich, und wir machten uns daran, uns im Stroh einzurichten – Schlafen im Stroh, ein besonderes Abenteuer! Froh waren wir auch, als wir unsere Bäuche mit heissen Älplermagronen füllen konnten. Dass der Tag anstrengend war und dass das schnelle Marschtempo nicht spurlos an uns vorübergegangen war, merkte man daran, dass nach dem abschliessenden Abendkreis, bei dem wir den Tag Revue passieren liessen, alle sehr schnell sehr ruhig geworden waren und neue Kraft für morgen tankten.
Dienstag, 2. Oktober 2018
Kalt war die erste Übernachtung und immer wieder wachten einige auf, weil der Regen so laut auf das Dach unserer Unterkunft prasselte. Ein paar hatten sich so tief ins Stroh eingegraben, dass man am Morgen nur noch die Köpfe hervorlugen sah. Aber das grosse Frühstücksbuffet brachte schnell die Lebensgeister zurück. Bald zogen wir motiviert und voller Tatendrang nach Schwyz und standen vor der berühmtesten oder berüchtigsten Etappe: der Haggenegg. Nur zwei Schüler mussten mit dem Klassenlehrer mit Bus und Zug nach Einsiedeln verschieben, der Rest der Gruppe nahm den zweistündigen, steilen und anstrengenden Aufstieg in Angriff. Hier zeigte sich, wer wirklich trainiert ist. Immer wieder bildeten sich einzelne Gruppen, man motivierte sich gegenseitig und am Schluss kamen alle auf der leicht verschneiten, aber doch besonnten Haggenegg an. Von dort ging es nach Einsiedeln. Welch eindrückliche Deckengemälde waren in der Klosterkirche zu bestaunen! Übernachten konnten wir im Hotel Allegro, das uns mit Einzel- und Mehrbettzimmern empfing, allesamt schön geheizt, so dass die gestrige kalte Nacht weit, weit zurückzuliegen schien. Es überraschte nicht, im Abendkreis, der auch diesen Tag beschloss, zu hören, dass man zwar müde, aber zufrieden und mit ein bisschen Stolz auf den Tag zurückblickt, auch wenn oder vielleicht gerade weil „einem alles weh tut”.
Mittwoch, 3. Oktober 2018
Einsiedeln: leichte Bewölkung – kein Regen, nicht kalt. Vor uns liegt der Etzel und ein steiler Abstieg zum Seedamm, der Pfäffikon und Rapperswil verbindet. Das heutige Marschtempo war nicht mehr so eindrücklich wie in den vergangenen Tagen, kleinere Gruppen zottelten hinter den andern her, doch standen alle in regem Austausch und man half sich auch heute gegenseitig bei diesem grossen Unterfangen. In Rapperswil konnten alle wählen, ob sie lieber mit dem Bus oder zu Fuss nach Goldingen gelangen wollten. Auch hier zeigte sich die Pilgerbegeisterung der Klasse. Kaum jemand wählte die Option Bus. Jrene und Michi Dietrich empfingen uns im „Rössli” in Goldingen aufs Herzlichste und sie hatten schon verschiedene Getränke und eine saisonale Fruchtschale bereitgestellt und brachten am Abend saftige Schnitzel mit Pommes Frites aus ihrer Küche auf die Tische. Man konnte kräftig zuglangen, drei, gar vier Schnitzel wurden von einzelnen gegessen. Die Abendvakanz verging wie im Flug und der Rückblick auf den Tag gab wiederum Zeit, sich mit sich selbst und seinen Erlebnissen auseinanderzusetzen. P. Andri leitete uns auch heute nicht nur auf dem Pilgerweg, sondern auch auf dem Weg zu uns. Verschiedene Fragen regten uns zum Nachdenken an: Welche Erfahrungen möchte ich mit den andern teilen? Deutlich war, dass viele ähnlich empfanden: Die Freude auf Fischingen, die abgeklungenen Schmerzen und die Motivation, die in der Pilgergruppe herrscht, wurden besonders hervorgehoben.
Donnerstag, 4. Oktober 2018
Am frühen Morgen empfing uns das Wirtepaar mit einem grossen Frühstücksbüffet und Äpfeln und Tee zum Mitnehmen. Die Freude am Wandern und der Ehrgeiz, den ganzen Weg von selbst zu schaffen, reisst nicht ab. Vor dem „Rössli” trafen wir uns kurz vor Tagesanbruch und sammelten uns vor der nächsten und letzten Etappe nach Fischingen.
Nachdem die ganze Pilgerschar in der aufgehenden Sonne schon losmarschiert war und Goldingen in die Höhe steigend aus dem Blick verloren hatte, kam es dann aber doch kurzfristig zur Umorganisation, bei der Frau Alexandra Bissig, Michi Dietrich vom Rössli und ein freundlicher Elektriker, der kurz einen Rucksacktransport unternahm, dabei halfen, eine Schülerin zum Klassenlehrer nach Wald zu bringen – eine weitere Schülerin wurde von P. Andri zum Postbus gebracht, der sie nach Wald fuhr, von wo aus die kleine Gruppe nach Steg aufbrach, um dort in einem etwas langsameren Tempo auf das Hörnli zu pilgern. Eindrücklich war der Blick vom Hörnli über das Mittelland nach Winterthur zum Seerücken, das Thurtal, den Bodensee, den Alpstein mit Säntis, die Glarner Alpen. Etwas im Dunst konnte man die Innerschweizer Berge und die Gipfel des Berner Oberlandes ausmachen, wir sahen das Tösstal und das Zürcher Oberland mit dem Bachtel. Am Horizont erhob sich der markante Gipfel des Titlis, und es war kaum zu glauben, dass wir diese grosse Strecke in den wenigen Tagen zurückgelegt hatten. Nach einer Pause auf dem Gipfel stiessen die beiden Schülerinnen wieder auf den Rest der Gruppe. Erneut vereint zog die Schar ins Thurgauer Tannzapfenland hinunter. Das erste Auftauchen des Kirchturms des Klosters Fischingen wirkte auf viele der Pilgerschar unwirklich und überraschend, dies vielleicht darum, weil wir bis kurz vor Erreichen des Ziels das Kloster nie gesehen hatten. Unvermittelt tauchte es hinter einem kleinen Hügel auf und wirkte so einladend. Das gemeinsame Eintreffen im Kloster Fischingen war ein beeindruckender Moment: 4 Tage lang sind wir über 100 Kilometer gewandert und haben dabei über 5’500 Höhenmeter überwunden – und nun stehen wir vor der barocken Klosteranlage. Um 18.00 Uhr trafen sich alle vor dem Kloster und brachten den Stein, den man in der Aa-Schlucht ausgesucht hatte, mit. Diese Steine, verbunden mit Wünschen und Gedanken der Pilgernden, wurden in alter Pilgertradition niedergelegt. Nach einer Zeit der Besinnung in der Klosterkirche ging es in den renovieren Speisesaal erst zum Essen und in der Pilgerstube dann zum kurzweiligen Film „Pilgern auf Französisch”.
Freitag, 5. Oktober 2018
Die letzte Nacht mit Schlafsack und Wolldecken liegt nun hinter uns – und auch im Kloster Fischingen gab es ein reichliches Frühstücksbuffet. In der Kapelle der Heiligen Idda von Toggenburg, eine der Schutzpatroninnen der Pilger, hielt P. Andri eine Eucharistiefeier. Wir liessen die vergangene Woche mit Hilfe unseres Pilgertagebuch und mit Hilfe von Fussabdrücken, die wir auf Papier und mit Stichworten versehen um den Altar legten, vor unserem inneren Auge noch einmal vorüberziehen. Trafen meine Befürchtungen, die ich vor der Pilgerwoche hatte, ein? Hat sich in mir etwas geändert? Welche Erfahrungen möchte ich mitnehmen und in meinem Herzen behalten? Diese und andere Fragen begleiteten uns durch die Feier. Am Ende der Eucharistiefeier konnten stolze sechzehn „Pilgerkönige” und „Pilgerköniginnen” geehrt werden – aber die ganze Pilgerschar bekam ein Pilgerabzeichen, das uns auf unseren Rucksäcken auf künftigen Wanderungen begleiten kann.
Vor dem Mittagessen gab uns der Prior von Fischingen, P. Gregor, einen spannenden Einblick ins Kloster, dessen Geschichte und in die Legende der heiligen Idda. Es fällt schwer zu sagen, was interessanter war: die Erläuterungen zum Leben der heiligen Idda anhand der Reliefs, die Ausführungen zum grossformatigen Deckengemälde, das alle damals bekannten Kontinente darstellt, die Erläuterungen zum repräsentativen Empfangszimmer des Klosters oder der Einblick in einen wichtigen Raum eines Klosters: das Archiv.
Nach dem Mittagessen traten wir mit Bus und Zug den Heimweg an. Die ursprünglich 25-köpfige Pilgerschar wurde von Stadt zu Stadt, von Bahnhof zu Bahnhof immer kleiner, so dass am Ende der Zugfahrt fast nur noch die externen Schülerinnen und Schüler und ein paar wenige interne Schüler in Engelberg aus dem Zug ausstiegen – dies aber bei schönstem Herbstwetter.
Markus L'Hoste
Klassenlehrer 1. OG