Verabschiedung Pater Andri Tuor
Mit dieser Laudatio wurde Pater Andri Tuor im Rahmen des Schulschluss-Gottesdienstes am 30. Juni 2023 von Abt Christian Meyer (kursiv) und Prorektor Tobias Barmettler verabschiedet.
Lieber P. Andri
Vor acht Jahren musste ich dich bereits ein erstes Mal verabschieden, nachdem du für knapp acht Monate interimistisch als Rektor tätig gewesen warst. Dieser Abschied war jedoch nicht so einschneidend, da du uns als Lehrperson und Mitglied der Gemeinschaft vor Ort erhalten geblieben bist.
Nun ist es so, dass du definitiv weiterziehst, um neue Antworten auf deine brennendsten Fragen zu finden, welche dich schon dein ganzes Leben lang beschäftigen. Grund genug also, um auf dein Wirken für die Stiftsschule und das Kloster Engelberg zurückzuschauen.
Ich kann mich noch gut an unsere erste Begegnung erinnern. Du warst damals Internatsleiter und ich habe als Lehrperson im Schuljahr 2011/12 meine Arbeit an der Stiftsschule aufgenommen. Der damalige Rektor Thomas Ruprecht bat mich, mich noch während der Sommerferien kurz bei dir vorzustellen. Ich würde dich im Internat finden, meinte er, und so zog ich los und hielt Ausschau nach P. Andri. Einen Mann in Mönchskutte suchte ich zu meiner Verblüffung aber vergeblich. Stattdessen begegnetest du mir beim ersten Treffen in kurzen Hosen und T-Shirt. Da wurde mir rasch klar, dass du kein «0815-Mönch» sein kannst. Mein erster Eindruck hat mich nicht getäuscht.
Deine ersten Spuren hast du aber schon viel früher, nämlich im Jahr 2005, in Engelberg hinterlassen.
Eindrücklich für alle war wohl deine Priesterweihe im besagten Jahr 2005 nach der grossen Überschwemmung – oder muss man sagen: Überflutung von Engelberg oder das Jahr, als Engelberg abgesoffen war?! Deine Gäste mussten mit dem Bus via Notstrasse nach Engelberg hochgefahren werden. Eine begrenzte Gästeschar. Und während draussen im Tal vor den Klostermauern die Spuren der Überschwemmung noch sichtbar waren, haben wir in der Kloster- und Pfarrkirche einen festlichen Gottesdienst mit deiner Priesterweihe gefeiert. So wurde sie nach dem Erlebnis der Überschwemmung zu einer speziellen Erfahrung für alle.
Als ausgebildete Primar- und Gymnasiallehrperson wurdest du im selben Jahr als Lehrperson für Religion und das Ergänzungsfach Religion angestellt. Dein Herz schlug schon immer für die Schule und das Internat, wo du dich in den verschiedensten Bereichen eingesetzt hast: zuerst als Präfekt des Kollegiums, wo du für die älteren Jugendlichen im Internat zuständig warst, und später auch als gesamtverantwortlicher Internatsleiter. Für das Internat hast du in deiner Tätigkeit als Internatsleiter ein neues pädagogisches Konzept erarbeitet. Zudem gehörte auch die Erarbeitung eines passgenauen Kinder- und Jugendschutzkonzepts und eines Kriseninterventionskonzepts für Schule und Internat in Zusammenarbeit mit entsprechenden Fachleuten in deine Verantwortung.
Gleichzeitig hast du die Schulpastoral, welche für eine theologisch sensible Bildungsarbeit an der Stiftsschule, für religiöse Angebote, Begleitung und die Organisation und Durchführung von Besinnungstagen sowie für das liturgische Leben in Schule und Internat verantwortlich ist, grundlegend aufgebaut und auch jahrelang geleitet und weiterentwickelt. Zwischen 2009 und 2018 warst du als Leiter der Schulpastoral auch Mitglied der Schulleitung.
Und dann kam der erste grosse Schritt an unserer Stiftschule: Als Vorsitzender der Findungskommission warst du 2008 bei der Neubesetzung des Rektorats hautnah dabei, als der erste weltliche Rektor, Thomas Ruprecht, eingestellt wurde. Aus wirtschaftlicher Sicht stand es in dieser Zeit nicht sehr gut um die Stiftsschule Engelberg. Deshalb wurde im selben Jahr der Strategieprozess «Gymnasium Plus» in Gang gesetzt. Du hast dieses Projekt als Projektleiter geführt und hast damit massgeblich zum neuen Kurs der Stiftsschule beigetragen.
Es war schon bald klar, dass das Internat grundlegend renoviert und saniert werden muss. Die letzte Sanierung lag schon 23 Jahre zurück. Zusammen mit P. Guido und der Baukommission, darunter auch die erst kürzlich verstorbene Mirjam Schwegler, wurde die Sanierung des Internats geplant und durchgeführt.
Daneben musste auch das Schulhaus erneuert werden: neue Einrichtung, die Aussenhaut ebenso. Denn es hiess ja, als ich Abt wurde: Das Schulhausdach ist undicht, es regnet herein, aber man kann es kanalisieren und weiss wo.
Im Verlauf dieses Prozesses entschied die Klostergemeinschaft zudem, die Sieben-Tage-Woche im Internat zu köpfen, vor allem aus finanzieller Sicht, und die Schule als IB-Schule in die Wege zu leiten.
Als Mitglied im Consilium, dem engsten Beratergremium des Abtes, warst du ebenfalls tätig – zuerst als gewählter Mitbruder und dann von Amtes wegen als Rektor. Tja, was soll ich da sagen … Es war nicht immer einfach mit dir – mal herausfordernd, mal gesellig, mal ärgernd oder verärgernd, mal pessimistisch, mal aufgestellt, ja so, wie wir Menschen halt sind: Jeder hat seinen Kopf, hat seine Überzeugung, und jeder meint, er habe die beste Lösung. Und bei allen diesen Lösungen und Ideen gilt es immer einen Weg zu finden, oder wie der hl. Benedikt sagt: Alles mit Mass!
Gesanglich hast du auch, wie abgemacht, unsere Choralschola unter der Woche geleitet. Und dies mit strengem Blick und klarer Handführung, alles zur grösseren Ehre Gottes.
Nicht zu vergessen ist aber, dass du neben den vielen Aufgaben in der Schule auch noch während vier Jahren berufsbegleitend zur Internatspädagogik geforscht hast. Daraus entstand deine preisgekrönte Dissertation «‹Selbst-Werdung› lernen in Gruppe und Institution. Hermeneutische Grundelemente einer subjektorientierten und theologisch sensiblen Internatspädagogik». Ein Grund, dass wir als deine Mitbrüder stolz sein durften, dies aber wohl nicht so zeigten. Tja, denn du bist halt einfach unser Mitbruder.
Im Jahr 2020 wurdest du vom Abt zum Rektor der Stiftsschule gewählt. Während deiner Zeit als Rektor wurde die Gemeinschaftsstunde, die unter anderem auch für politische Bildung genutzt wird, für die gesamte Stiftsschule eingeführt. Zudem hast du für die Lehrpersonen pädagogische Konferenzen eingeführt, welche den Fokus auf die Bildungsarbeit im Allgemeinen setzen. Des Weiteren wurden unter deiner Führung mit der Gründung einer Schüler*innen-Vertretung aus gewählten Jugendlichen der verschiedenen Klassen neue Formen der Schüler*innen-Partizipation an der Stiftsschule Engelberg eingeführt.
Wenn ich jetzt noch all die Tätigkeiten aufzählen würde, welchen P. Andri ausserhalb der Schule nachgegangen ist, dann würden wir wahrscheinlich morgen noch hier stehen.
Unglaublich, was du, lieber Andri, in den letzten 18 Jahren alles für die Stiftsschule und das Kloster geleistet hast. Du bist wahrscheinlich der erste Mönch und Mitarbeiter der Stiftsschule, der Präfekt, Internatsleiter, Lehrperson und Rektor war. Ganzheitlicher geht es wohl kaum. Manchmal frage ich mich wirklich, wie das alles möglich war. Es kommt einem vor, als hätten deine Tage noch eine zusätzliche 25. Stunde gehabt.
In deiner Person zieht nicht nur ein sehr kompetenter und engagierter Mensch weiter, sondern wir verlieren mit deinem Wegzug auch eine Persönlichkeit, die Entscheide nicht einfach getroffen, sondern diese auch immer wieder reflektiert und kritisch hinterfragt hat. Deine stets sehr engagierte Art und dein ganz persönlicher Einsatz für die Anliegen von Schule und Internat zum Wohle der heranwachsenden Jugend haben dein Handeln und Wirken stets bestimmt und geprägt. Für die langjährige kollegiale und kompetente Zusammenarbeit und dein grosses Engagement hier in Engelberg in der Klostergemeinschaft und an der Stiftsschule danken wir dir ganz herzlich und wünschen dir auf dem Weg deiner klösterlichen Berufung weiterhin alles Gute.
Und nun? Du schlägst dein Zelt, um dich zu prüfen und deine klösterliche Bestimmung zu vertiefen, bei den Camaldulensern auf, einem Reformorden der Benediktiner, ins Leben gerufen vom hl. Romuald. Eine der vielen Legenden von ihm berichtet, dass er im Traum eine Leiter sah, die von der Erde bis zum Himmel reichte, und auf der er viele in weissen Gewändern hinaufsteigen sah. Der Traum gab ihm Trost, denn er sah darin viele seiner Mitbrüder, die den Weg in den Himmel schafften.
Es sei mir erlaubt, dieses Bild umzudeuten, da es ja auch der hl. Benedikt im 7. Kapitel «über die Demut» seiner Regel gebrauchte: Lieber Andri, du hast eine Leiter gesetzt, die unsere Schule auf einen neuen Weg brachte. So hast du vielen jungen Menschen den Weg dieser Leiter gebracht, die nun eigenständig ihren Weg suchen müssen, wie auch du. Auf dieser Lebensleiter wünschen wir dir zwei gute Holmen, die dir Halt und Stand geben. Es wird ein Auf- und Niedersteigen sein, geformt aus deinen Lebenssprossen – in der Hoffnung, dass du deinen Weg findest und gehen kannst. Wir begleiten dich im Gebet und in unseren Gedanken. Danke!!
Abt Christian Meyer und Prorektor Tobias Barmettler