Geschlossene Tore, Aufmerksamkeit für das Wesentliche und viel Gelassenheit
Ruhig ist es im Kloster geworden, seit nach der vom Bundesrat verordneten Schulschliessung am 13. März die Klostergemeinschaft beschlossen hatte, die Klostertore für die Öffentlichkeit zu schliessen. Leicht gefallen ist Abt Christian Meyer diese Entscheidung nicht, steht bei den wichtigsten Tätigkeiten des Klosters doch die Begegnung mit Anderen im Mittelpunkt: Seelsorge, Bildung, Gastfreundschaft, Handwerk, Kulturpflege, Förderung der örtlichen Landwirtschaft. Und so finden zur Zeit weder Führungen, noch Veranstaltungen oder Übernachtungen im Kloster statt, während des Gebets der Mönche ist auch die Klosterkirche geschlossen. Geöffnet ist die Kirche fürs individuelle Gebet ansonsten schon. In der Klosterkirche und in den Talkapellen finden aber bis auf weiteres keine öffentlichen Gottesdienste statt. Dafür wird an den Sonn- und Festtagen ein Gottesdienst aus der Klosterkirche über Livestream via Klosterwebsite übertragen.
Wichtig und richtig war diese Abschottung, geht es doch um den Schutz der Gemeinschaft. Da es aber trotzdem Aufgaben gibt, die nicht einfach ausgesetzt werden können, leben drei Mönche, P. Guido, P. Andri und P. Patrick, getrennt von der Gemeinschaft. P. Patrick als Pfarrer nimmt weiterhin seine Aufgaben in der Gemeinde wahr und P. Guido und P. Andri sind als Bindeglied zur Schule auch jetzt noch in die schulische Belange und Entscheidungen eingebunden.
In einer Zwittersituation lebt Abt Christian. Einerseits hat er zahlreiche Aufgaben die Aussenkontakt erfordern. Obliegt ihm nicht nur die Leitung des Engelberger Klosters, sondern auch die von vier Frauengemeinschaften und zwei Gemeinschaften in Kamerun. Und in seiner Funktion als Abtpräses pflegt er den Austausch über alle Kontinente. Dieser wird auch hinter den Klostermauern zur Zeit häufig in Form von Videokonferenzen geführt.
Andererseits ist aber gerade in solch einer Ausnahmesituation die Anwesenheit des Abtes in der Gemeinschaft wichtig. Und so versucht er den Spagat zwischen internen und externen Herausforderungen zu meistern, ohne die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für das Wesentliche zu verlieren.
"Es ist wie es ist"
Ruhiger ist es in der Gemeinschaft sicher geworden, wenn auch nicht unbedingt gelassener. Denn jeder Mitbruder hat seine Meinung und hat sich dann den Corona-Hausbeschlüssen zu beugen, mit Freude oder mit Murren. Diese Hausbeschlüsse werden im Consilium, dem engsten Beratergremium des Abtes, besprochen und festgelegt.
Auch wenn manche Freiheit und Aufgabe weggefallen sind, so ist die Tagesstruktur doch geblieben. Die gemeinsame Feier des Stundengebetes und der Eucharistie sowie Schriftlesung und persönliches Gebet bilden weiterhin die Mitte des Lebens der Engelberger Mönche. Da die Gemeinschaft zwar isoliert lebt, aber nicht unter Quarantäne steht, dürfen die Mönche natürlich noch an die frische Luft. Sei es in die Gärten des Klosters, zum Joggen oder Velofahren in Engelberg.
"Es ist wie es ist" ist weniger ein Ausdruck von Resignation, eher ein zuversichtlicher Blick, mit einem humorvollen Augenzwinkern. Man macht das beste aus der momentanen Situation, schaut nach vorne. Was sich auch in den persönlichen Zitaten zeigt.
"Zuerst: mir geht es gut. Ich kann noch im Büro in der Physik arbeiten, wenigstens bis zum 11. Mai, wenn die Schüler wieder anrücken. Natürlich gibt es viele Einschränkungen, da wir aber nicht in einer eigentlichen Quarantäne leben, dürfen wir an die frische Luft. So kann ich auch Velofahren - gut für meinen Kreislauf. Und Arbeit habe ich sowieso genug. Wie es mit Nachhilfestunden gehen wird, ist völlig ungewiss. Wir werden ja sehen. Vielleicht geht der Kontakt über das Internet.
Ich habe bereits vororganisiert für den Computer und für das Velo. So werden höchstens die Nachhilfeschüler einen Nachteil haben."
P. Leonhard, langjähriger Mathematik- und Physiklehrer an der Stiftsschule, noch immer mit einem Büro in der Schule und nicht nur für sein unendliches Wissen von seinen Nachhilfeschülern geschätzt
"Mir geht es soweit gut, auch wenn mir der physische Kontakt gegen aussen fehlt. Jetzt habe ich sehr viel Kontakt via Telefon oder Email. Das Rad steht für mich also nicht still. Und geschieht irgendetwas in der Gemeinschaft: Dann ist jetzt noch mehr der Abt immer Schuld, und noch mehr sollte er immer alles können. So versuche ich da zu sein, wie ich bin, mit meinen Grenzen, aber auch meine Begabungen. Und nach einem Absturz des Systems versuche ich es wieder hochzufahren."
Abt Christian, ehemaliger Stiftsschüler und weiter in enger Gemeinschaft mit einem Teil seiner ehemaligen Lehrer, hält die Fäden des Klosters in der Hand, hört zu, schweigt, ist da, handelt
"Wir haben uns Mitte März entschlossen, die Gemeinschaft etwas zu separieren. Einerseits um die älteren Mitbrüder besser zu schützen, andererseits um zu verhindern, dass bei einer Infizierung die ganze Gemeinschaft in Isolation müsste. So haben P. Andri und ich Zimmer im 1. Stock des Internats direkt neben der Studentenkapelle bezogen und wir essen gemeinsam mit Pfarrer P. Patrick im Gästespeisesaal. Unsere Gebetszeiten und Messfeiern halten wir in der Studentenkapelle. Das ist schon sehr ungewohnt und ich vermisse mein Zimmer im Kloster, die gemeinsamen Mahlzeiten mit der Tischlesung in der Gemeinschaft und die gemeinsame Liturgie, aber auch die Begegnungen mit den Mitbrüdern. Andererseits habe ich in dieser Zeit ebenfalls entdeckt, wie schön es ist, in der erneuerten Studentenkapelle Gottesdienst zu feiern. Neben den täglich anfallenden Arbeiten ermöglicht mir die gegenwärtige Situation zudem, mir mehr Zeit zum Lesen zu nehmen. Ich habe mich in aktuelle Literatur zur Entstehung der Bibel, sowie zur Situation und Entwicklung der Kirche, von Glaube und Spiritualität vertieft. Das weitet in einer Zeit mit vielen Einschränkungen meinen Horizont."
P. Guido, als Bibliothekar von Büchern umgeben, als Mitglied der Schulleitung und Seelsorger eng mit der Stiftsschule verbunden