Berufs- und Studienwahl an der Stiftsschule
Ausgangslage
Regelmässig durchgeführte Umfragen bei den ehemaligen Schülerinnen und Schüler haben gezeigt, dass diese nach erfolgreich abgeschlossener Matura oft zu wenig konkrete Zukunftspläne hatten und somit erst einmal ein Zwischenjahr zur individuellen Zukunftsplanung einschalten mussten, um sich klar zu werden, wie der weitere berufliche Werdegang aussehen könnte. Obwohl im 3. und 4. OG seit einiger Zeit individuelle Berufs- und Studienberatungen durch das BIZ (Berufsinformationszentrum) durchgeführt werden, scheint dieses Angebot noch nicht optimal auf die ganze Ausbildung und den Kenntnisstand der Jugendlichen angepasst zu sein. Nun stellt sich die Frage, wie dieser Zustand optimiert werden könnte.
Die gymnasiale Ausbildung an der Stiftsschule Engelberg soll die Schülerinnen und Schüler bestmöglich auf ein Hochschul- oder Fachhochschulstudium vorbereiten. Dazu gehört eine breite allgemeine Ausbildung. Das Grundlagenfächerangebot sowie das Wahlpflicht- und Ergänzungsfachangebot tragen dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler im Verlauf ihrer gymnasialen Ausbildung ihren individuellen Interessen nachgehen können. Neben dieser schulischen Ausbildung sollen die Jugendlichen aber auch auf das vorbereitet werden, was nach der Matura kommt. Die Schulleitung war sich deshalb sehr rasch einig, dass auch die Zukunftsplanung Teil der gymnasialen Ausbildung sein sollte. Schliesslich sollen die Schülerinnen und Schüler nicht nur auf die Matura vorbereitet werden, sondern auch auf ein anschliessendes Studium. Je früher man damit anfängt, desto optimaler ist man auf die Zeit nach dem Gymnasium vorbereitet.
Im März 2012 initiierte die Plenarversammlung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) im Rahmen der Verbesserung der gymnasialen Maturität ein Teilprojekt zur Studien- und Laufbahnberatung. Durch die Beratung und Unterstützung von Gymnasiastinnen und Gymnasiasten bei der Studienwahl soll ein Beitrag geleistet werden, die Zahl der Studienabbrüche respektive der Studienfachwechsel zu reduzieren. Daraus entstand ein Bericht mit Grundlagen zur Verbesserung der Studien- und Laufbahnberatung. Mit Beschluss vom 17. März 2016 empfiehlt die EDK den Kantonen, Rahmenvorgaben zur Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Berufs-, Studien- und Laufbahnwahl an ihren Gymnasien zu erlassen (vgl. Medienmitteilung der Dienststelle Gymnasialbildung des Kantons Luzern, 24.10.16).
Auf Grundlage der Empfehlungen der EDK wurde an Stiftsschule Engelberg ein passendes Konzepts zur Studien- und Berufswahl erarbeitet. Darin ist geregelt, in welcher Form wir die Schülerinnen und Schüler auf die Zeit nach dem Gymnasium vorbereiten können.
Ziele des Studien- und Berufswahlunterrichts
An der Stiftsschule Engelberg werden vom ersten Untergymnasium bis zum vierten Obergymnasium diverse Angebote zur Studien- und Berufswahlvorbereitung zugänglich gemacht. In der Vorbereitung auf die Studienwahl erwerben die Schülerinnen und Schüler so verschiedene Kompetenzen. Neben dem Wissen über die eigene Person sollen auch Kenntnisse über die Ausbildungslandschaft und die Berufswelt vermittelt werden. Ebenso wird dadurch die Entscheidungskompetenz gefördert und die Realisierungsplanung gestärkt. Dies soll den Schülerinnen und Schüler helfen, schon früh in der Ausbildung zu erkennen, wo ihre Stärken und Interessen liegen. Neben einer motivierenden Komponente – wo geht es für mich hin und was möchte ich einmal erreichen - soll dadurch auch ein Prozess der Selbstreflexion in Gang gesetzt werden. Die Jugendlichen lernen ihr eigenes Tun kritisch zu hinterfragen. Dazu gehört unter anderem auch das Wissen darüber, warum sie gerade den gymnasialen Ausbildungsweg gewählt haben. Oft sind es die Eltern, welche in diesem Lebensabschnitt mithelfen die Weichen zu stellen. So ist es auch nicht selten der Fall, dass ein Ausbildungsweg einschlagen wird, ohne genau zu wissen, welche Möglichkeiten der Abschluss eröffnet.
Umsetzung an der Stiftsschule Engelberg
Die Schulleitung hat sich zusammen mit der Lehrpersonenkonferenz darauf geeinigt, dass die Einführung in die Studien und Berufswahl einlaufend passiert. Das heisst, dass im Schuljahr 2019/2020 im ersten und zweiten UG mit der Vermittlung der Inhalte begonnen werden soll.
Im ersten Untergymnasium geht es hauptsächlich darum, den Schulbetrieb im Gymnasium mit seinen charakteristischen Merkmalen (Fachlehrersystem, hohe Leistungsdichte, selektive Promotion, hohes Lerntempo, Hausaufgabenorganisation, Umgang mit Freiheiten und Eigenständigkeit etc.) kennen zu lernen und sich daran zu gewöhnen. Zudem sollen die Schülerinnen und Schüler auch die Möglichkeit bekommen, die Selbst- und Fremdeinschätzung ihrer Selbst- und Sozialkompetenz zu vergleichen und zu analysieren. Ebenfalls werden ihnen Möglichkeiten geboten, verschiedene Lern- und Arbeitstechniken kennenzulernen und anzuwenden.
Im zweiten Untergymnasialjahr liegt der Schwerpunkt auf der Vermittlung der Übersicht über die Bildungslandschaft der Schweiz. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler auch in die Arbeit im Internet mit den entsprechenden Websites eingeführt. Des Weiteren sollen sie ihre Interessen definieren und diverse Berufsfelder kennen lernen. Durch den Besuch im BIZ bekommen sie zudem die Möglichkeit, vertiefte Recherchen über ihr bevorzugtes Studien- und Berufsgebiet anzustellen.
In den Obergymnasiumklassen werden unter anderem Informationsveranstaltungen zum Wahlpflicht- und Ergänzungsfachangebot an der Stiftsschule Engelberg durchgeführt. Zudem haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit einmal pro Semester an Kurzberatungen des BIZ teilzunehmen. Im dritten und vierten Obergymnasium besteht ausserdem die Option, Studieninformationsveranstaltungen der Fachhochschulen, Universitäten und ETHs zu besuchen.
Erste Erfahrungen
In der ersten und zweiten Untergymnasiumklasse haben nun die ersten Unterrichtslektionen stattgefunden. Bei der Einführung des Kurses Berufs- und Studienwahl war es wichtig, dass bereits bestehende Angebote, wie die oben erwähnten Kurzberatungen oder der Besuch der Studieninformationsveranstaltungen für Maturanden, weiterhin Teil der Ausbildung bleiben.
Die verantwortlichen Lehrpersonen zeigen sich sehr positiv, was die Durchführung und Zielerreichung anbelangt. Alle beteiligten Lehrerinnen und Lehrer sind sich einig, dass die Jugendlichen sich durch dieses Kursangebot ihrer Interessen und Stärken bewusster werden können. Gemäss eigenen Angaben vergingen die einzelnen Lektionen wie im Flug. Verbesserungspotential gibt es vor allem noch bei der Koordination der einzelnen Lektionen und deren Inhalten. Dabei ist es auch wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler über das nötige Grundlagenwissen verfügen. Dieses soll in Zukunft von den verschiedenen Fachlehrpersonen in ihren Fächern eingeführt und vertieft werden.
Auch von Seiten der Schülerinnen und Schüler sind die Rückmeldungen durchwegs positiv. Durch den Kurs würden sie nun das schweizerische Bildungssystem besser kennen, was zuvor nur teilweise bekannt war. Sie wissen was sie interessiert und welche Studiengänge für sie im Moment in Frage kommen. Durch den Kurs wurde den Schülerinnen und Schüler nun auch klarer, welche Möglichkeiten ihnen mit dem Abschluss der Matura offenstehen. Sie schätzen die Möglichkeit, sich schon früh Gedanken über ihre schulische und berufliche Zukunft machen zu können. Dass der Kurs nicht nur im Schulzimmer stattfand und ein Besuch im BIZ auf dem Programm stand, wurde ebenfalls sehr positiv bewertet. Dort halfen ihnen individuelle Recherchen, bei der Berufs- und Studienwahl weiter zu kommen.
Abschliessend kann gesagt werden, dass mit der Einführung der Unterrichtseinheiten eine gute Grundlage für die Studien- und Berufswahl an der Stiftsschule Engelberg gelegt wurde. Die neuen Inhalte sind optimal auf die bestehenden Angebote angepasst worden. Nun soll die Zukunftsplanung in jedem Schuljahr zur Diskussion gebracht werden, um so aus der Studienberatung einen Prozess abzuleiten, welcher die Schülerinnen und Schüler befähigt, nach Abschluss der Matura eine passende Studienrichtung oder Berufsfeld zu finden. Wie gross der effektive Mehrwert für die Einzelnen in Bezug auf die erfolgreiche Wahl einer Studienrichtung oder eines Berufs ist, wird sich in den nächsten Jahren weisen.
Tobias Barmettler
Prorektor