Stiftschor und das Oratorium "Mose"
Der Stiftschor Engelberg blickt auf eine jahrhundertelange Tradition zurück, es gibt ihn, seit in den Gottesdiensten der Klosterkirche mehrstimmige Gesänge gesungen werden. Ursprünglich bestand der Chor ausschliesslich aus Mönchen und Schülern der Klosterschule, seit den 1970er Jahren wurde der Stiftschor auch für Sängerinnen und Sänger aus dem Dorf geöffnet. Heute erarbeiten Mönche, Schülerinnen und Schüler der Stiftsschule und Singbegeisterte aus Engelberg und der Umgebung unter der Leitung von Stiftskapellmeisterin Ruth Mory-Wigger verschiedenste musikalische Werke.
Die primäre Aufgabe des Stiftschors ist die Gestaltung von Gottesdiensten, aber das jährliche Weihnachtskonzert stellt einen Höhepunkt im Chorjahr dar.
In diesem Jahr hat der Stiftschor ein ganz besonderes Projekt für die Weihnachtskonzerte. Gemeinsam mit dem Kirchenchors St. Martin Buochs erarbeiteten die Sängerinnen und Sänger das Oratorium MOSE.
"Mose" ist ein Oratorium mit Wurzeln in der Innerschweiz, das durch die geplante Neuaufführung sicher über die Region hinaus wirken wird. Die Rolle des Erzählers ist nicht ‑ wie in Oratorien üblich ‑ durchkomponiert, sondern gesprochen. Neben einem großen Chor, der vor allem die Rolle des Volkes Israel spielt, treten Solisten auf, die zum Teil Rollen übernehmen, zum Teil durch Arien das Geschehen aktualisieren und vertiefen. Unterstützt und bereichert werden die Gesangsstimmen durch ein grosses Orchester, bestehend aus Streichern, Bläsern und Pauken. Komponiert wurde dieses Werk durch das schwedische Komponistenpaar Marie Bengtson und Bengt Matsson in den Jahren 2001 bis 2003.
Unter den Sängern sind auch wieder Schülerinnen und Schüler der Stiftsschule. Jana H. (17) meint zu diesem Projekt und zu dieser Musik: "Am Anfang gefiel mir die Musik nicht besonders. Da ich aber einfach gerne singe, habe ich mich dennoch auf dieses Projekt eingelassen und bin positiv überrascht, wie abwechslungsreich (mit Chor und Orchester und Solisten) dieses Werk nun geworden ist. Ich bin gespannt auf die kommenden Konzerte in Engelberg und auch auf die Rückmeldungen des Publikums."
Vreni L. (16) singt das erste Jahr im Stiftschor und ist sogleich mit diesem Projekt eingestiegen. Sie sagt: "Es ist eindrücklich! Mit so vielen Leuten in einem Riesenchor ‑ wow! Bereits die gemeinsamen Proben waren abwechslungsreich und kurzweilig. Interessant sind die vielen neuen Kontakte mit lauter netten und sympathischen Leuten!"
Auch Jan F. (14) singt mit, allerdings schon ein paar wenige Monate länger als Vreni L. Er ist eindeutig der Jüngste im Bassregister! Seine Eindrücke: "Das Singen hilft mir beim Abschalten von Schule und Alltag. Es ist einfach schön, mit anderen Leuten zu musizieren und etwas Grosses gemeinsam entstehen zu lassen. Die Musik für MOSE gefällt mir, und ich finde sie einfallsreich komponiert."
Zum Inhalt
Im Oratorium "Mose" wird die Geschichte des jüdischen Führers Mose erzählt und besungen: seine Geburt im Exil in Ägypten, seine Aussetzung in einem Weidenkorb auf dem Nil, seine Rettung ausgerechnet dank der Tochter des Pharaos, der die Ermordung aller jüdischen Knaben befohlen hatte und seine Erziehung am Hof des Pharaos. Mose setzt sich, erwachsen geworden, für einen Vertreter seines Volkes ein und bringt in seinem unausgereiften Gerechtigkeitssinn einen folternden ägyptischen Aufseher um. Daraufhin muss er vor dem Pharao fliehen. In der Fremde heiratet er und erhält von seinem Gott "Jahwe" die Aufforderung, sein Volk aus dem Elend in Ägypten herauszuführen. Gegen alle Bedenken gelingt ihm dieses Unterfangen. Schliesslich führt er sein inzwischen ziemlich störrisch gewordenes Volk sogar trockenen Fusses durch das Schilfmeer. Der anschliessende Gang durch die Wüste ist für Mose und für sein Volk ein herausfordernder Weg. Die Israeliten hungern und dürsten, zweifeln und rebellieren und möchten am liebsten wieder in die ägyptische Sklaverei zurück, wo sie wenigstens volle Fleischtöpfe hatten. Mose kommt an seine Grenzen. Er muss lernen, seinen Zorn auf das Volk seinem Auftrag unterzuordnen. Er selber darf den Schritt in das verheissene Land nicht mehr tun. Schliesslich ist es ihm gerade noch vergönnt, einen Blick ins "gelobte Land" zu werfen, bevor er stirbt. Sein Volk aber hat er ans Ziel gebracht.
Josef Zwyssig, Theologe und heute Pfarrer in Buochs/NW, hat diese spannende Lebensgeschichte aus der Bibel in ein Oratorium verfasst. Er musste dafür den biblischen Text stark kürzen. Zu den Zitaten aus dem Buch Exodus, die aus der ökumenischen Einheitsübersetzung stammen, hat er Psalmentexte und eigene Gedichte und Reflexionen hinzugefügt. Dadurch erhält das Oratorium Aktualität und lädt dazu ein, gesellschaftliche Gegebenheiten von heute zu hinterfragen und über die eigene Lebens- und Glaubensgeschichte nachzudenken.
Zur Musik
"Die Musik von Bengt Matsson und Marie Bengtson entführt die Zuhörenden ohne Umschweife auch in die arabische Welt, malt Bild um Bild in den schönsten Farben. Unmerklich wechselt die Szenerie. Einmal findet man sich in den unendlichen Weiten nordischer Wälder, dann wähnt man sich in einem Oratorium von Mendelssohn oder in einem Monumentalfilm mit Charlton Heston. Immer spricht die Musik direkt an, lässt Raum für persönliche Auseinandersetzungen mit den Figuren und mit den Situationen. Sei es mit einem kraftvollen Psalm, einem hauchzarten Liebeslied, mit einem schlichten Choral, einem prächtigen Siegeschor; die Musik bewegt, verdeutlicht und regt an. Bei aller Vielseitigkeit zeichnet sich nach und nach unmerklich eine durchgehende Linie ab, es entsteht eine eigene musikalische Sprache, die nicht nur illustriert und ergänzt, sondern die Zuhörenden richtiggehend durch die Geschichte führt. Die Musik übernimmt so auch eine Art Übersetzerrolle: die biblischen Redewendungen, die traditionell "religiöse" Sprache wird den Zuhörenden auf eine ganz natürliche Weise "mundgerecht" zubereitet, selbst in traditionellen Oratorien-Formen wie Rezitativ, Arien oder Chören." (Zitat des verst. Musikers Heinz Stöckli, der die Uraufführung leitete).
Die erste Aufführung fand bereits am Sonntag, 2. Dezember 2018 in der voll besetzten Pfarrkirche Buochs vor einem begeisterten Publikum statt.
Zwei weitere Konzerte finden am Sonntag, 16. Dezember 2018 um 17.00 Uhr und am Donnerstag, 20. Dezember 2018 um 19.30 Uhr in der Klosterkirche Engelberg statt.
Der Eintritt ist frei. Die Ausführenden sind dankbar für eine grosszügige Kollekte.
Der Stiftschor ist immer auf der Suche nach stimmlicher Verstärkung. Wenn auch Sie Lust haben, das Chorleben näher kennenzulernen oder Fragen haben, zögern Sie nicht, Ruth Mory-Wigger zu kontaktieren.
Ruth Mory-Wigger
Stiftskapellmeisterin